Eltern von Tutanchamun identifiziert
Seit fast einem Jahrhundert fasziniert er Fachwelt und
Geschichtsbegeisterte. Seit sein Grab 1922 nahezu unberührt gefunden wurde,
ist Tutanchamun der berühmteste Pharao der ägyptischen Antike. Unklar war
bislang jedoch, woher der bereits mit 19 Jahren verstorbene junge König
abstammte. Wer waren seine Eltern? Diese Frage, an der die Ägyptologie lange
Zeit scheiterte, beantwortet nun ein Forscherteam aus Deutschland, Südtirol
und Ägypten.
In einem speziell eingerichteten DNA-Labor in Kairo haben die Forscher unter
der wissenschaftlichen Leitung von Albert Zink, Anthropologe an der
Europäischen Akademie Bozen (EURAC) und Carsten Pusch, Humangenetiker an der
Eberhard Karls Universität Tübingen, zwei Jahre lang mit modernsten Methoden
und Techniken genetische Untersuchungen an 16 Mumien durchgeführt. Nun sind
sie fündig geworden: Vater von Tutanchamun ist der berühmte Pharao Echnaton,
das Grab seines mumifizierten Körpers wird im Tal der Könige mit der Nummer
KV (King Valley) 55 geführt. Mutter ist die so genannte "Younger Lady", die
Mumie aus Grab KV35, die zusammen mit einer weiteren – älteren – weiblichen
Mumie gefunden wurde. Ob es sich bei der "Younger Lady" um die berühmte
Nofretete handelt, analysieren die Mumienforscher derzeit noch.
Ermöglicht wurden den Forschern diese einzigartigen Erkenntnisse durch ein
von Discovery Channel finanziertes Pionier-Projekt unter der Leitung von
Zahi Hawass, Direktor des "Supreme Council of Antiquities" in Kairo.
Erstmalig konnten ausgedehnte genetische, forensische und radiologische
Untersuchungen an Tutanchamun und 15 weiteren Mumien des Neuen Reichs
durchgeführt werden. "Wir haben hier eine vollkommen neue Dimension der
molekularen und medizinischen Ägyptologie beschritten", erklärt Albert Zink,
der an der Europäischen Akademie Bozen das weltweit erste Institut für
Mumienforschung leitet.
Im September 2007 hatte das zehnköpfige Forscherteam begonnen, von elf
Mumien aus der Verwandtschaft Tutanchamuns und von fünf weiteren Mumien
Gewebeproben aus dem Knocheninnern zu entnehmen. In zweijähriger Arbeit
haben die Mumienforscher die DNA extrahiert und genetische Fingerabdrücke
für alle 16 Mumien erstellt. "Wir haben unsere Analysen mehrfach wiederholt
und in einem zweiten Labor unabhängig repliziert", erklärt Humangenetiker
Carsten Pusch, der am Institut für Anthropologie und Humangenetik der
Universität Tübingen lehrt. Dies, um mögliche Kontaminationen, Vermischungen
mit moderner DNA, auszuschließen. So haben die Wissenschaftler auch die
DNA-Profile aller an den Untersuchungen beteiligten Mitarbeitern erhoben und
regelmäßig mit den Pharaonen-Daten verglichen. Überrascht waren die Forscher
von dem vergleichsweise guten Erhalt der alten DNA, der offensichtlich durch
die speziellen Einbalsamierungstechniken für die Königsmumien gefördert
wurde.
Ihre Ergebnisse sind wegweisend. Durch die genetischen Fingerabdrücke konnte
ein Fünf-Generationen-Stammbaum der Familie Tutanchamuns erstellt werden.
Zudem ist man der Todesursache des berühmten Pharaos ein Stück weit näher
gekommen: In Tutanchamun konnten unter Mithilfe des Bozner Radiologen Paul
Gostner mehrere Erkrankungen diagnostiziert werden. Darunter eine
Knochennekrose am linken Fuß, die zur mangelnden Blutversorgung des Knochens
und zum Knochenabbau führte. "Diese Erkrankung allein hat mit Sicherheit
nicht zum Tod geführt, aber sie hat ihn in seiner Mobilität stark
eingeschränkt", erklärt Albert Zink. "Es erklärt wohl auch, warum man in
seinem Grab zahlreiche Gehstöcke gefunden hat."
Lebensbedrohlicher war die zweite Erkrankung, die die Wissenschaftler
feststellen konnten: "Tutanchamun hat an der schwersten Form von Malaria,
der Malaria tropica, gelitten", erklärt Carsten Pusch. "Dies könnte zusammen
mit der Knochennekrose zum Tod geführt haben." Verschiedene Pflanzenreste,
die in seinem Grab gefunden wurden, unterstützen die Malaria-Diagnose. Sie
sind teilweise noch heute für ihre fiebersenkende und schmerzlindernde
Wirkung bekannt.
"Wir hatten das Glück, diese einzigartige Studie durchführen zu können, die
ein jahrhundertealtes Rätsel über die Familienverhältnisse des weltberühmten
Pharaos Tutanchamun gelöst hat", erklären die beiden Mumienforscher Albert
Zink und Carsten Pusch abschließend. "Und wir forschen weiter. Nofretete
steht noch aus…Wir haben gerade erst ein neues Universum betreten!"
Die Wissenschaftler haben ihre Studie in einer der renommiertesten
medizinischen Fachzeitschriften, dem "Journal of the American Medical
Association" (JAMA) publiziert. Sie erschien dort am 17. Februar 2010.
Bozen/Tübingen, den 17.02.2010
Quellen / Links
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